Foto (v.l.): Dr. Volker Hentschel (DB Netz AG), Dr. Michael Bernhardt (VDB/​Rail Power Systems GmbH), Dirk Flege (Allianz pro Schiene), Ingolf Leithoff (QLX GmbH)

#Menschen 17. September 2018

InnoTrans-Interviewserie: Wie viel Innovationspotenzial sehen Sie in der Bahninfrastrukturbranche, Herr Leithoff?

Während der InnoTrans, am 19. September, diskutieren Dr. Volker Hentschel (Vorstand Produktion DB Netz AG), Dirk Flege (Geschäftsführer Allianz pro Schiene), Dr. Michael Bernhardt (Vizepräsident Infrastruktur VDB und Vorsitzender der Geschäftsführung der Rail Power Systems GmbH) und Ingolf Leithoff (Geschäftsführer QLX GmbH) mit Dr. Alexander von Lieven (Bereichsleiter des Unternehmensbereichs Ausrüstung/​Elektrotechnik, SPITZKE SE & Sprecher der Geschäftsführung SPITZKE FAHRWEGSYSTEME GmbH) zur Frage „Mehr Betrieb, weniger Personal, mehr Baustellen. Das geht?!“. Wir haben allen Diskutanten vorab schon einmal vier Fragen gestellt.

Lesen Sie hier die Antworten von Ingolf Leithoff (Geschäftsführer QLX GmbH).

Was fasziniert Sie am System Bahn, Herr Leithoff?
Die Faszination dafür liegt im System selbst, also die Planung und Steuerung eines hochkomplexen Zusammenspiels vielfältiger Einzelfaktoren, bei der ein hoher vorheriger Planungsaufwand erforderlich ist und trotzdem Individualität in gewisser Weise zugelassen werden muss.

Wo sehen Sie derzeit die größte Herausforderung für die schienengebundene Infrastruktur in Deutschland?
Der Mehrwert gegenüber anderen Verkehrsträgern entsteht dann, wenn alle Faktoren möglichst reibungsfrei zusammenwirken um möglichst ideal das vorgegebene Planungsziel zu erreichen, also die energieeffiziente und zeitlich und örtlich planbare Personenbeförderung bzw. den Gütertransport. Auf der einen Seite muss umfassend und schnell auf unvorhergesehene Ereignisse reagiert werden, um möglichst den planmäßigen Ablauf einzuhalten. Auf der anderen Seite gibt es stark wachsende Forderungen nach individualisierten Mobilitätsdienstleistungen, die ein schienengebundenes System vor große Herausforderungen stellt.

Wie viel Innovationspotenzial sehen Sie in der Bahninfrastrukturbranche?
Tatsächlich eine ganze Menge, was soll ich auch anderes sagen. Der Begriff Digitalisierung ist ja an jeder Ecke zu hören und zu lesen. Während man für den privaten Bereich inzwischen schon Digital-Detox-Angebote sieht, steht man im Betrieb teilweise noch am Anfang. Auch wenn hier viel Nachholbedarf besteht, sollte man meiner Meinung nach trotzdem mit Augenmaß und kritischen Hinterfragen nach den konkreten Mehrwerten und Folgenabschätzung vorgehen. An einigen Stellen neigt man zu Aktionismus, der u.a. in politischen Vorgaben begründet liegt. Hier wird die Chance vertan, ganz grundsätzlich die gewachsenen Prozesse zu hinterfragen und ggf. das Thema im Hinblick auf veränderte Randbedingungen und Anforderungen von Grund auf neu zu denken. Die Deutsche Bahn hat mir der mindbox einen eigenen Startup-Accelerator, über den wir einen kleinen Einblick in die Prozesse bekommen haben. Ich finde das einen guten Weg, innovative Ideen einzubringen, am praktischen Beispiel zu validieren und gegebenenfalls an die Randbedingungen anzupassen. Allerdings ist es wichtig, dass sich beide Seiten, also Startups und etablierte Unternehmen, auf die teilweise deutlich differierenden Denk- und Arbeitsweisen, Prozesse und Geschwindigkeiten einstellen. Wenn man das hinbekommt, können beide Seiten stark voneinander profitieren und schneller als bisher Ideen in Produkte und Dienstleistungen umsetzen.

Auf dem SPITZKE-Messestand diskutieren Sie während der InnoTrans zum Thema „Mehr Betrieb, weniger Personal, mehr Baustellen. Das geht?!“. Welche Aspekte liegen Ihnen dabei besonders am Herzen?
Das System ist ja dann effizient, wenn alle Einzelfaktoren möglichst reibungsfrei zusammenspielen. Das gleiche gilt für alle Akteure des Systems Bahn, die zunächst zwar ihre berechtigten Einzelinteressen verfolgen, aber langfristig nur dann erfolgreich sind, wenn das System erfolgreich ist, also letztlich dem Kunden verlässliche und attraktive Mobilitäts- bzw. Logistikdienstleistungen bieten kann.
Mit der Forderung nach mehr Verkehr, mehr Ausbauarbeiten und dem Problem des fehlenden fachlichen Nachwuchses bewegen wir uns in einem Trilemma. Ein Teil der Lösung dafür kann in der der effektiveren und frühzeitigeren Abstimmung zwischen Bau und Betrieb liegen, z.B. unter Zuhilfenahme von Werkzeugen, die verschiedene Szenarien und Rückfallebenen simulieren und somit frühzeitig potenzielle Probleme offenbaren können, aber auch in der effizienten Kollaboration. Diese Werkzeuge sind zum Teil schon vorhanden, in anderen Disziplinen schon Usus.
Startups leiden gewöhnlich noch nicht unter der Betriebsblindheit und blicken in der Regel aus einem anderen Blickwinkel auf bestehende Prozesse. Ich sehe deshalb in der gemeinsamen Auseinandersetzung mit den anstehenden Herausforderungen großes Potenzial, auch weil die jungen Gründer gewohnt sind, Dinge auszuprobieren und schnell Funktionsprototypen zu entwickeln. Die intensive Zusammenarbeit mit den etablierten Unternehmen hilft dann, die Prototypen in die in benötigten Anforderungen des realen Betriebs zu überführen.
Mein Wunsch wäre also, dass die etablierten Unternehmen noch deutlicher auf die jungen Gründer zugehen und offen sind auf neue Arbeitsweisen.

Lesen Sie ebenfalls die Antworten von:

  1. Dr. Volker Hentschel, Vorstand Produktion DB Netz AG
  2. Dr. Michael Bernhardt, Vizepräsident Infrastruktur VDB und Vorsitzender der Geschäftsführung der Rail Power Systems GmbH 
  3. Dirk Flege, Geschäftsführer Allianz pro Schiene

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