#Menschen 14. September 2022

InnoTrans 2022: Im Gespräch mit Dr. Ben Möbius vom VDB

Auf der InnoTrans 2022 diskutieren am Mittwoch (21. September 2022 · 15.30 Uhr · SPITZKE-Stand · Halle 5.2 · Stand 320) im Rahmen der SPITZKE-Podiumsdiskussion Jens Bergmann, Vorstand Infrastrukturplanung und -projekte, Vorstand Finanzen und Controlling der DB Netz AG, Dr. Ben Möbius, Hauptgeschäftsführer des VDB, Jan Grothe, CPO der DB AG, Mark Fisher, CTO der SPITZKE SE, sowie Winfried Zuber, Geschäftsführer der WSP Infrastruktur Engineering GmbH, zu dem Thema: „Partnerschaftliches, modernes, effizientes Bauen konsequent weiterdenken!“. Wir haben den Podiumsteilnehmenden vorab schon einmal drei Fragen gestellt.

Hier lesen Sie das dritte Kurzinterview mit Dr. Ben Möbius (Hauptgeschäftsführer des VDB).

Herr Dr. Ben Möbius, der Verkehr zur Schiene gilt als eines der Schlüsselelemente für eine nachhaltige, klimaschonende Mobilität. Was muss sich ändern, damit unser Bahnsystem diese Rolle gut ausfüllen kann und wir es schaffen, künftig deutlich mehr Personen- und Güterverkehr auf die Gleise zu bringen?

Wir glauben daran, dass die Schiene schlicht das beste Angebot im intermodalen Vergleich bieten muss, um die Menschen vom Ein- und Umsteigen zu überzeugen. Damit die Schiene 4.0 zur Erfolgsgeschichte wird, braucht es mehr Kapazität, mehr Attraktivität und vor allem deutlich mehr Tempo. Die Kapazität bringt die Digitalisierung: Mehr Züge können auf gleicher Strecke in engerem Takt zum Einsatz kommen. Und Digitalisierung erhöht auch die Zuverlässigkeit und Verfügbarkeit der Schiene. Beispiel? Predictive Maintenance. Intelligente Komponenten schlagen Alarm, bevor sie kaputt gehen, Ausfälle können vermieden werden und der Zugverkehr zuverlässig und pünktlich weiterfahren. Mehr Attraktivität erreichen wir durch Innovation. Neue, digitale Technologien und Produkte gibt es – aber sie müssen deutlich schneller in den Markt kommen. Darüber entscheiden Vergaben. Wenn wir also öffentliche Ausschreibungen noch mehr auf Qualität, Nachhaltigkeit, Design und Komfort ausrichten würden, würden die Menschen technologischen Fortschritt auch viel schneller im Alltag spüren. Digitalisierung, Innovation, Modernisierung, Aus- und Neubau – das alles braucht auf der Schiene deutlich mehr Geschwindigkeit. Wir müssen deutlich schneller starten, also schnell und effizient planen und digitale Methoden stärker nutzen, um smarter zu bauen. Dabei muss auch das entsprechende Regelwerk von der Bundesregierung optimiert werden. Damit wir gemeinsam die beste Mobilität auf’s Gleis bringen können, die es je gab.

 Aus Sicht der Verbände & Politik: Welchen Beitrag kann die Bahnindustrie zur Erreichung dieser Ziele leisten?

Die Bahnindustrie ist Klimaindustrie. Schienenverkehr macht heute bereits weniger als ein Prozent der gesamten Treibhausgasemissionen im Verkehrssektor aus. Und diese Potenziale lassen sich durch die Digitalisierung und Elektrifizierung noch weiter steigern. Elektromobilität ist auf dem Gleis schon seit über 140 Jahren Realität, 90 Prozent der Fahrleistung auf deutschen Netzen erfolgt heute elektrisch. Und wo Elektrifizierung durch Oberleitung noch aussteht oder nicht wirtschaftlich ist, können alternative Antriebskonzepte „Made in Germany“ konsequent dekarbonisieren. Die Bahnindustrie in Deutschland ist in der Entwicklung von Wasserstoff-, Batterie- und Hybridantrieben weltweiter Spitzenreiter. Elektrifizierungslücken können so überbrückt werden. Nicht zuletzt ist das System Schiene sehr energieeffizient. So ist beispielsweise die Rekuperation von Bremsenergie weit vorangeschritten. Der Anteil der rückgespeisten Energie liegt im Schienengüterverkehr bei sieben Prozent, im Schienenpersonenfernverkehr bei zehn bis 15 Prozent und beim Schienenpersonennahverkehr, je nach Streckenprofil, bei 20 bis 40 Prozent. Automatisierung senkt den Energiebedarf einer Metro um fast ein Drittel, Leichtbau und intelligente, adaptive Komponenten sind radikal energieeffizienter, Oberleitungen verwerten die Input-Energie fast eins zu eins. Mehr Schiene bedeutet kurz mehr Mobilität bei null Emissionen und maximaler Energieeffizienz.

Auf der SPITZKE-Podiumsdiskussion diskutieren Sie zum Thema „Partnerschaftliches, modernes, effizientes Bauen konsequent weiterdenken!“ Auf welche Aspekte kommt es aus Ihrer Sicht dabei an?

Zuallererst müssen Planungs- und Umsetzungszeiträume ungleich schneller werden. Überkomplexe Verfahren und Doppelprüfungen müssen effizienter werden. Hier sollte der von der Bundesregierung eingesetzten Beschleunigungskommission Schiene, in der der VDB mitwirkt, eine entscheidende Rolle zukommen. Zulassungsverfahren sind nahtlos zu digitalisieren. Ausnahmen von der Planfeststellung müssen für zeitkritische Schienenprojekte viel häufiger geprüft werden. Auch schwierige Fragen. wie das Verhältnis von Klimaschutz und lokalem Artenschutz, gehören auf den Tisch. Vor Ort müssen Öffentlichkeitspartizipation und faire, verhältnismäßige Lösungen gelingen. Schon die vorgelagerten Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen von Schieneninfrastrukturprojekten müssen künftig viel stringenter volkswirtschaftlichen und klimapolitischen Kriterien folgen. Denn an diesen Zielen sollte das Netz ausgerichtet sein. Und dann müssen digitale Planungsmethoden, wie Building Information Modeling (BIM), viel mehr in die Anwendung kommen, um Prozesse zu beschleunigen und Fehlerquellen zu reduzieren. Erfolgreiche Anwendungen im Gleisbau zeigen, dass mit BIM Baumethoden, Baulogistik und Sperrpausenkonzepte parallel arbeitender Gewerke schon in der Planungsphase optimiert werden können. Wir brauchen eine optimale Verbindung von Fahren und Bauen. Dafür sind auch mehr Überhol- und Abstellgleise nötig, die Ausweichstrecken und den effizienten Einsatz von Maschinen und Materialien ermöglichen. Arbeitnehmerfreundliche Bedingungen sollten selbstverständlich sein, was eine einseitige Konzentration auf Feiertag und Nachtschichten ausschließt.

#InnoTrans #Bahninfrastruktur