Nach sechs Jahren Bauzeit ermöglichte die SPITZKE SE innerhalb der ARGE Berlin – Ostkreuz VP11 wieder einen durchgängigen S-Bahn-Betrieb in der Stadtbahnebene.
Ende August 2017 stellte die Deutsche Bahn AG am Bahnhof Berlin-Ostkreuz die Betriebsführung der S-Bahn vom Richtungs- auf den Linienbetrieb um. Möglich machten dies die, unter anspruchsvollen Rahmenbedingungen erfolgte, Erneuerung des Streckenlayouts zwischen Berlin-Ostbahnhof und Berlin-Ostkreuz sowie die Errichtung neuer Verkehrsanlagen durch das Bahninfrastrukturunternehmen SPITZKE als federführenden Partner der ARGE Berlin- Ostkreuz VP 11. Mit der Einführung des Richtungsbetriebs auf der Stadtbahnebene wurde ein weiterer wichtiger Meilenstein beim Umbau des Berliner Verkehrsknotens erreicht.
Der Bahnhof Berlin-Ostkreuz (BOK) ist der am stärksten frequentierte Umsteigepunkt im Berliner Nahverkehrsnetz; rund 340 000 Menschen passieren täglich diese Verkehrsstation. Bei 1512 Stationshalten steigen rund 100 000 Menschen pro Tag hier ein, aus oder um. Nach Fertigstellung des Verkehrsknotens kreuzen sich auf zwei Ebenen insgesamt neun S-Bahn- sowie acht Regionalbahnlinien in Ost- West- sowie Nord-Süd-Richtung (Abb. 1). Seit Beginn der ersten Bauarbeiten im Jahr 2006 wird der Bahnhof bei laufendem Betrieb bis Ende 2018 vollständig umgebaut.
Seit Juli 2011 realisieren das Bahninfrastrukturunternehmen SPITZKE SE gemeinsam mit der Firma Hentschke Bau GmbH als „Arbeitsgemeinschaft Berlin-Ostkreuz VP 11“ den Umbau der Stadtbahnebene des Berliner Bahnhofs Ostkreuz. Das Projekt umfasst das gesamte Leistungsspektrum der Bahninfrastruktur vom Fahrweg über Ausrüstung/Elektrotechnik, Kabeltiefbau und Ingenieurbau bis zum Bahnsteigneubau. Innerhalb der ARGE hat die SPITZKE SE als Systemlieferant die technische Federführung übernommen. Gemeinsam mit der Hentschke Bau GmbH als leistungsstarkes Unternehmen für Ingenieur- und Bahnsteigbau, ist die ARGE Berlin- Ostkreuz VP11 damit ein kompetenter Partner der Deutschen Bahn AG.
Schnell, modern, komfortabel, übersichtlich – das ist der Anspruch, mit dem die DB als Auftraggeber den Umbau angeht, um den steigenden Fahrgastzahlen im Nah- sowie Regionalverkehr als auch dem zunehmendem Pendlerverkehr gerecht zu werden. Die Erneuerung der Verbindung zwischen der Ring- und Stadtbahnebene sowie die Verknüpfung der verschiedensten Verkehrsmittel – vom Bus über die Straßenbahn bis zum Regionalexpress – an einem Punkt, erweitern den Verkehrsknoten Ostkreuz und machen das Streckennetz im Osten Berlins nachhaltig und zukunftssicher. Dabei wurde bei der Betriebsführung der S-Bahn am Bahnhof Ostkreuz vom Linienbetrieb auf den Richtungsbetrieb umgestellt (Abb. 2) und zur schnelleren Durchführung des S-Bahnbetriebes ein neues Elektronisches Stellwerk (ESTW) gebaut und in Betrieb genommen.
Die Entscheidung, den Richtungsbetrieb bereits ab dem Verkehrsknoten Berlin-Ostkreuz einzuführen, hat vielerlei Gründe. Zunächst kann mit Aufnahme des Richtungsbetriebes eine höhere Streckenkapazität zur Durchführung des S-Bahn-Betriebes mit bis zu fünf S-Bahn-Linien in der Stadtbahnebene erwirkt werden. Der Richtungsbetrieb begünstigt zudem die Umsteigewege auf den Bahnhöfen BOK und Berlin-Warschauer Straße (BWRS), sodass bei der Bemessung dieser zu erneuernden Verkehrsstationen günstigere Personenströme berücksichtigt und so die Umsteigezeiten verringert werden können. Die Einführung des Richtungsbetriebes der S-Bahn ab BOK erfordert das ehemalige Kreuzungsbauwerk (Abb. 4 und Tab. 1) zwischen BWRS und Berlin-Ostbahnhof (BOSB) aufzulassen und östlich des Kernbereiches Ostkreuz für die Einbindung des stadteinwärts führenden Gleises der Strecke 6004 ein neues Kreuzungsbauwerk zu errichten. Die Einbindung der Strecke 6007 aus der Ringbahn in die Stadtbahnebene erfolgt weiterhin, den geänderten Anforderungen angepasst, über den Brückenzug der Südkurve.
Die Verlagerung des Kreuzungsbauwerkes östlich der Verkehrsstation Ostkreuz, die dabei zu betrachtenden Rahmenbedingungen sowie resultierenden Herausforderungen stellten erhebliche Anforderungen an die Planung sowie die bauliche und baubetriebliche Umsetzung. Die Gestaltung des ursprünglichen Kreuzungspunktes der Strecken 6004/6006 zur Einführung des Richtungsbetriebes ab BOSB war geprägt von der wechselvollen Entstehungsgeschichte des Bahnhofs Berlin-Ostbahnhof als Personen sowie Post- und Güterbahnhof Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts. Noch vor 1908 wurde ein Kreuzungstunnel errichtet, dessen Anforderungen von den dampflokbetriebenen Eisenbahnen definiert wurden. Dabei begrenzte die Führung der Stadtbahn als Hochbahn auf den Stadtbahnviadukten von BOSB stadteinwärts sowie die zu unterquerende Straßenüberführung (SÜ) Warschauer Straße stadtauswärts die Ausdehnung des Kreuzungsbereiches in Längsrichtung auf max. 975 m.
Der Tunnel mit einer Länge von ca. 132 m und die davor und dahinter angeordneten Stützwände führten das stadtauswärtige Gleis der Strecke 6006. Dabei wurde der Tunnel in einem Kreuzungswinkel mit ca. 187,2 gon von den zwei Streckengleisen der Strecke 6004 überquert. Die Gestaltung des Gleislayouts BOSB ermöglichte es, dass ab BOSB stadteinwärts Richtungs- und ab BWRS stadtauswärts der Linienbetrieb durchgeführt werden konnte, wobei die Gleise bei der Einfahrt BOSB auch getauscht werden konnten.
Für die Aufnahme des Richtungsbetriebes ab BOK galt es deutlich anspruchsvollere Rahmenbedingungen bei der Planung und Durchführung der Neubauten zu berücksichtigen. Die
Entfaltungslänge des Kreuzungsbereiches ist zwischen den Bahnsteigen BOK und den Eisenbahnbrücken der Karlshorster Straße mit anschließender Trassenführung in Hochlage begrenzt. Als Bauraum für den Kreuzungsbereich verbleibt nunmehr eine Länge von ca. 381 m. Um innerhalb dieses begrenzten Abschnittes die Realisierun des Richtungsbetriebes ab BOK zu gewährleisten, wurde die Gleistrassierung mit den zulässigen Trassierungsparametern und den im Ermessensbereich liegenden Spielräumen in der Trassierung kombiniert und mit neuen Ingenieurbauwerken an die örtlichen Gegebenheiten angepasst. So wurde östlich der Eisenbahnüberführung (EÜ) Karlshorster Str. (KHS) die Gradiente der Strecke 6006 erhöht, um die Gleise.
unter dem neuem Kreuzungsbauwerk Ostkopf hindurch zu führen.
Dabei galt es, für die Strecke 6006 eine Entwurfsgeschwindigkeit von 80 km/h sowie für die Strecke 6004 eine Maximalgeschwindigkeit von 60 km/h im Kreuzungsbereich zu
realisieren. Das Kreuzungsbauwerk Ostkopf (Abb. 6 und Tab. 2) führt als Stabbogenbrücke mit einer Stützweite von ca. 52 m und einem Kreuzungswinkel von ca. 177,5 gon das stadteinwärts führende Gleis der Strecke 6004. Um die Durchfahrt der Strecke 6006 zu gewährleisten, sind zudem verlängerte Flügelwände der Widerlager errichtet worden, die gleichzeitig als Stützwände zur Abfangung der Damm- / Einschnittslage fungieren.
Um diese Streckenführung zu realisieren, mussten die angrenzenden Brückenbauwerke EÜ KHS mit den nach Osten verlaufenden Stütz-wänden zur Führung der Strecken 6006 sowie 6004 in Hochlage erneuert und unter Beachtung der Trassierungsvorgaben zur Einführung des Richtungsbetriebes neu beplant werden. Die für den signalisierten Eisenbahnbetrieb erforderliche PT1-Planung musste diesen Anforderungen ebenso gerecht werden. Bei der Planung der Brems- und Durchrutschwege war der anspruchsvolle Gradientenverlauf genauso maßgebend wie die engen Radien unter dem Brückenbauwerk mit den sich anschließenden Stützwänden hindurch. Hier galt es, die Wechselwirkung der baulichen Anlagen, der Trassierung der Gleisverläufe und die sich ergebende Signalsicht für die Planung der Signalstandorte zu optimieren. Gleiches galt es, bei der Planung der neuen Stromschienenanlagen umzusetzen. Diese musste nunmehr die starken Neigungsverhältnisse mit den neu zu gestaltenden Stromschienen- und Speiseabschnitten der Strecken 6006 und 6004 sowie den erforderlichen Trennstellen in Übereinstimmung bringen.
Letztlich konnte der um ca. 594 m geringere Bauraum durch Ausreizen der zur Verfügung stehenden Trassierungsgrenzen sowie der darauf aufbauenden Neugestaltung der erforderlichen Ingenieurbauwerke kompensiert und der Richtungsbetrieb bereits am frühestmöglichen Punkt stadteinwärts, an der Verkehrsstation Berlin-Ostkreuz, eingeführt werden. Um alle Bauwerke des neuen Verkehrsknotens sowie der Umsteigebahnhöfe BWRS und BOK in der Stadtbahnebene zu errichten und in Betrieb zu nehmen, erforderte es zahlreiche Bauzustände mit Anpassung der Stellwerke in BOSB, BOK sowie Berlin-Lichtenberg und Berlin-Rummelsburg. Zwischen 11/2011 und 08/2017 wurden in über 20 verschiedenen sicherungstechnischen Einzelbauzuständen Bauweichen und Baugleise errichtet, Gleise verschwenkt, Hilfsbrücken und Fangedämme ein- und wieder ausgebaut, Gleise und Weichen erneuert, Bahnsteige, Brücken und Stützwände abgebrochen und neu errichtet sowie Medienund Entwässerungsquerungen bei laufendem Betrieb aller Verkehrsanlagen der S- und Fernbahn errichtet. So konnte bei der Realisierung der Neubauten stets die Aufrechterhaltung des wichtigsten Umsteigebahnhofs in Berlin
gewährleistet werden. Im Endspurt bis zur Fertigstellung aller Leistungen kann mit Aufnahme des Richtungsbetriebes und Inbetriebnahme des ESTW-A Ostkreuz nunmehr auf umfangreiche Einzelbauzustände verzichtet werden und der Verkehrsknoten Berlin-Ostkreuz Ende 2018 seine volle Kapazität aufnehmen.
Autor: Dipl.-Ing. (FH) Mario Thamm, Teilprojektleiter, SPITZKE SE