Auf der InnoTrans 2024 diskutieren am Dienstag (24. September · 14.00 Uhr · SPITZKE-Stand · Halle 5.2 · Stand 330) im Rahmen eines SPITZKE-Talks Dirk Flege, Geschäftsführer der Allianz pro Schiene e. V. und Mitglied des Sektorbeirats, Bärbel Fuchs, Geschäftsführerin der BEG Bayerische Eisenbahngesellschaft mbH sowie Vorsitzende des Sektorbeirats, und Torsten Völker, Chief Revenue Officer von SPITZKE, zu den Themen „Infraplan“ und „Sektorbeirat“. Wir haben unseren SPITZKE-TALK-Teilnehmer*innen vorab einige Fragen gestellt.
Hier lesen Sie unser erstes Kurzinterview mit Bärbel Fuchs.
Frau Fuchs, wie würden Sie die Situation unserer Branche beschreiben? Wo stehen wir?
Unsere Branche steht vor einer ambivalenten Situation. Einerseits gibt es klare politische Ziele, den Schienenverkehr zu fördern, um die Klima- und Verkehrswende zu unterstützen. Dafür müssen wir ein attraktives, zuverlässiges Angebot schaffen, das die Menschen zum Umstieg motiviert. Andererseits verschärfen sich die Herausforderungen: Der Arbeitskräftemangel betrifft alle Bereiche, wodurch Züge stillstehen und Strecken nicht saniert werden können. Zudem ist der Zustand des deutschen Schienennetzes alarmierend. Trotz steigender Investitionen altert die Infrastruktur schneller, als sie erneuert wird. Hinzu kommen schleppende Aus- und Neubaumaßnahmen sowie eine unzureichende Digitalisierung. Die Finanzierungslücke ist enorm, und die Idee von Zwangsdarlehen anstelle von Zuschüssen erhöht die Trassenpreise, was die Schiene unattraktiver macht und den Zielen widerspricht.
Seit Ende 2023 ist u. a. ein neues Gesetz in Kraft, das Infrastrukturprojekte erleichtern soll. Wie blicken Sie auf das sogenannte Beschleunigungsgesetz und andere politische Entwicklungen bzgl. Bahn?
Ich halte Maßnahmen zur Beschleunigung von Infrastrukturprojekten in Deutschland für dringend nötig, da wir uns im Vergleich zu anderen europäischen Ländern oft selbst blockieren. Beispielsweise dauert es hier Jahre, bis eine Oberleitung über vorhandenen Gleisen installiert ist. Ein Gesetz zur Vereinfachung der Planungs- und Genehmigungsprozesse ist daher zu begrüßen, da es die Projektlaufzeiten verkürzt und Zuständigkeiten bündelt. Das könnte insbesondere im Bahnsektor helfen, die Klimaziele schneller zu erreichen. Allerdings gibt es auch Risiken: Eine Einschränkung der Bürgerbeteiligung könnte die öffentliche Akzeptanz verringern und zu Klagen führen, was die erhoffte Beschleunigung gefährden würde. Es ist wichtig, dass diese Maßnahmen nicht auf Kosten von Qualität, Umweltschutz und Bürgerbeteiligung gehen, um langfristige Wirksamkeit und Akzeptanz zu sichern.
Welche Auswirkungen erwarten Sie für die Industrie bzw. die BEG im Konkreten, sprich die Projektplanungen und -ausführungen?
Für die Bahnbauindustrie wünsche ich mir mehr Verbindlichkeit im Zeitplan durch effizientere und unbürokratischere Planungsschritte. Dadurch könnten Projekte schneller umgesetzt und das finanzielle Risiko durch Verzögerungen reduziert werden. Allerdings könnten Klagewellen dies auch behindern. Schnelle Projektabschlüsse würden Menschen und Maschinen schneller für neue Aufgaben verfügbar machen, was für die anstehenden Schienenprojekte entscheidend ist. Besonders bei den Hochleistungskorridoren der DB InfraGO ist jede beschleunigte Maßnahme wichtig. Auch für die BEG sind pünktliche Inbetriebnahmen von Neuverkehren, etwa durch Elektrifizierung, unerlässlich. Verzögerungen wären fatal, da die neuen Fahrzeuge auf Strom angewiesen sind. Ebenso dramatisch wären Verzögerungen bei Streckenreaktivierungen, da bereits beschaffte Fahrzeuge nicht zum Einsatz kämen.
Wenn Sie sich eine ideale Situation unserer Branche, ein Ziel für 2035, ausmalen könnten – wie würde diese bzw. dieses aussehen und welche „Baustellen“ müssten Politik und Industrie dafür angehen?
Für 2035 wünsche ich mir einen zuverlässigen Schienenverkehr, der den Bedürfnissen der Menschen und Unternehmen gerecht wird und zur Erreichung der Klimaziele beiträgt. Dazu muss die bestehende Infrastruktur in Topzustand gebracht, veraltete Technik ersetzt und die Digitalisierung sowie der Ausbau überlasteter Strecken vorangetrieben werden. DB InfraGO muss einen klaren Sanierungs- und Ausbauplan mit realistischer, abgestimmter Zeitplanung vorlegen und ein neues Instandhaltungsregime etablieren, um die Zuverlässigkeit des Netzes zu sichern. Der Bund ist gefordert, einen nachhaltigen Finanzierungsplan für die Schieneninfrastruktur zu schaffen, wie es Österreich mit seinem 6-jährigen rollierenden Rahmenplan vormacht, der Projekte und Investitionen langfristig absichert und regelmäßig anpasst.
*Gesetz zur Beschleunigung von Genehmigungsverfahren im Verkehrsbereich und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2021 / 1187 über die Straffung von Maßnahmen zur rascheren Verwirklichung des transeuropäischen Verkehrsnetzes